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Was ist ein Trauma?
In bedrohlichen Situationen schaltet der menschliche Organismus in den Überlebensmodus (fight-or-flight-response): Der Sympathikus wird aktiviert, Adrenalin ausgeschüttet, Atmung und Herzschlag beschleunigen sich, und der Blutdruck steigt. Ist die Gefahr vorüber, reguliert der Parasympathikus den Körper zurück in den Entspannungszustand – ein natürlicher Rhythmus zwischen Anspannung und Entspannung.
Wenn weder Kampf noch Flucht möglich sind, reagiert der Körper mit dem Totstellreflex (immobility). In diesem Zustand ist man wie gelähmt und kann nicht mehr handeln. Dieser Reflex ist ein Überlebensmechanismus, der bei allen Säugetieren vorkommt.
Problematisch wird es, wenn die im Überlebensmodus entstandene Energie nicht abgebaut wird. Der Körper bleibt im Alarmzustand, und diese gebundene Energie kann noch Jahre später Symptome wie erhöhte Anspannung oder chronischen Stress verursachen.
Der Totstellreflex ist eine extreme Notfallreaktion des autonomen Nervensystems, vermittelt durch den dorsalen Vagusnerv. Er geht oft mit Dissoziation einher – einem Zustand, in dem Gefühle, Empfindungen und Erinnerungen abgespalten werden. Die Umwelt wirkt dumpf, und man nimmt sich getrennt von ihr wahr. Hierbei sind Sympathikus und Parasympathikus gleichzeitig aktiv – vergleichbar mit dem gleichzeitigen Drücken von Gas- und Bremspedal.
Während Tiere nach überstandener Gefahr die Stressenergie abschütteln und so in ihren Normalzustand zurückkehren, fällt es Menschen schwer, diese Entladung zu vollziehen. Eine fehlende sichere Umgebung oder die Gewohnheit, weiterzumachen, verhindern oft die Verarbeitung. Das Nervensystem bleibt in Alarmbereitschaft, was zur Entstehung eines Traumas führen kann.
Nach Dr. Peter Levine, Biophysiker und Psychologe sowie Begründer von Somatic Experiencing®, ist Trauma weniger das Ereignis selbst, sondern die Reaktion des Nervensystems auf eine überwältigende Erfahrung.
Trauma, aus dem Griechischen „Wunde“, bezeichnet unverarbeitete belastende Erlebnisse, die das Leben nachhaltig beeinflussen. Medizinisch wird es als psychische Erschütterung beschrieben, die tief im Unterbewusstsein wirkt und sich in unterschiedlichen Symptomen zeigen kann.
Häufig wird Trauma mit extremen Ereignissen wie Gewalt oder Unfällen in Verbindung gebracht. Doch auch weniger offensichtliche Erlebnisse, wie Vernachlässigung oder fehlende Anerkennung, können seelische Wunden hinterlassen. Diese stillen Traumata sind weit verbreitet und oft tiefgreifender, als wir vermuten.
Trauma umfasst eine Bandbreite an Erfahrungen – von kleineren bis zu großen Wunden. Vermutlich haben viele von uns im Leben damit Berührungspunkte gehabt.Wichtig ist zu verstehen, dass nicht nur offensichtliche Katastrophen traumatisierend wirken, sondern auch alltägliche Erfahrungen unsere psychische Gesundheit beeinflussen können.
Unterschied zwischen Schock- und Entwicklungstrauma
Ein Schocktrauma entsteht meist durch einmalige, als lebensbedrohlich empfundene Ereignisse. Dazu zählen Unfälle, Naturkatastrophen, körperliche oder sexuelle Gewalt, Kriegserfahrungen oder medizinische Eingriffe. Auch das Miterleben der Gefährdung eines anderen Menschen (Sekundärtrauma) kann traumatisch wirken. Solche Erlebnisse überfordern das Nervensystem und führen zu einer extremen Übererregung, die nicht verarbeitet werden kann. Das Gehirn speichert dabei präzise alle mit dem Ereignis verbundenen Eindrücke – Bilder, Geräusche, Gerüche, Emotionen und körperliche Empfindungen wie Anspannung.
Ein Entwicklungstrauma hingegen entsteht durch belastende Erfahrungen in der frühen Kindheit, die das Nervensystem nachhaltig prägen. Dazu zählen überwältigende Ereignisse oder das Gefühl von Nicht-gesehen-, Nicht-gehört- oder Nicht-angenommen-Werden, insbesondere wenn diese ohne Unterstützung verarbeitet werden müssen.
Ein Baby wird mit einer unvollständigen Fähigkeit zur Selbstregulation geboren und ist auf eine feinfühlige Bezugsperson angewiesen, die es durch liebevollen Kontakt und Berührung unterstützt. Ist die Bezugsperson selbst gestresst oder emotional nicht verfügbar, kann sie sich nur begrenzt auf die Bedürfnisse des Kindes einstellen. Dies erschwert den Aufbau einer sicheren Bindung und die Entwicklung einer stabilen Selbstregulation.
Ist ein Entwicklungstrauma das Gleiche wie ein Bindungstrauma?
Entwicklungstrauma und Bindungstrauma sind eng miteinander verbundene Konzepte, die sich jedoch in ihren Schwerpunkten unterscheiden. Obwohl die Begriffe oft synonym verwendet werden, liegt der Hauptunterschied darin, dass ein Bindungstrauma spezifisch die Bindungserfahrungen betrifft, während ein Entwicklungstrauma breiter gefasst ist und verschiedene Aspekte der kindlichen Entwicklung umfasst.
Schock- und Entwicklungstrauma: Eine enge Verbindung
Schock- und Entwicklungstraumata sind selten klar voneinander getrennt und wirken oft miteinander verwoben. Laut Dr. Peter A. Levine können überwältigende Schockerlebnisse dazu führen, dass Betroffene emotional und psychisch in dem Entwicklungsstadium „steckenbleiben“, in dem das Trauma stattfand. Daher ist bei der Verarbeitung von Schocktraumata auch immer die Bearbeitung von Entwicklungsaspekten notwendig, um tiefgreifende Heilung zu ermöglichen.
Besonders bei Kindern, die früh traumatische Erfahrungen gemacht haben, zeigt sich die enge Verbindung zwischen Schock- und Entwicklungstrauma. Aber auch bei traumatischen Ereignissen im Erwachsenenalter sind diese beiden Aspekte oft miteinander verknüpft, was biologische und psychologische Prozesse beeinträchtigen kann.
Somatic Experiencing® als beziehungsorientierter Ansatz bietet einen Raum, in dem Schock-, Entwicklungs- und Bindungstraumata gemeinsam bearbeitet werden können. Eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung ist hierbei essenziell. Das Gefühl, wirklich gesehen, gehört und verstanden zu werden, bildet die Grundlage für die Heilung tiefer seelischer Wunden.
Dr. Peter Levine weist zudem darauf hin, dass Menschen mit Bindungstraumata anfälliger für Schocktraumata sind. In seinem SE-Modell beschreibt er dies als „Globale Hohe Intensive Aktivierung“ (GHIA), die oft mit weiteren Traumakategorien wie „Starker Aufprall“, „Unvermeidbarer Angriff“ oder „Emotionales Trauma“ kombiniert ist. Diese Perspektive zeigt, dass die Heilung von Schockerlebnissen untrennbar mit der Arbeit an Entwicklungstraumata verbunden ist und beide in den therapeutischen Prozess einbezogen werden müssen.
Im Kontext von Somatic Experiencing® sprechen wir von Trauma, wenn vergangene Ereignisse Verletzungen hinterlassen haben, die bis heute den Kontakt zu uns selbst und zu anderen beeinträchtigen. Trauma entsteht, wenn eine Erfahrung uns überwältigt hat und dabei eine hohe Aktivierung im Nervensystem zurückgelassen wurde, die bislang nicht verarbeitet oder gelöst werden konnte.
Wie funktioniert SOMATIC EXPERIENCING ®
Somatic Experiencing ® kann helfen, die Energie, die im Überlebensmodus entsteht und oft stecken bleibt, wieder zu entladen und schützende Reaktionen des Körpers zu vollenden, die in einer überwältigenden Situation nicht stattfinden konnten. Somatic Experiencing ® wirkt auf das autonome Nervensystem. Es stärkt die menschliche Fähigkeit zur Selbstregulation und bringt uns in Kontakt mit dem eigenen Körper. Etwas, von dem man getrennt war, kann wieder integriert und vervollständigt werden. Oft reicht es nicht allein, ein Problem kognitiv zu lösen. Es braucht den ganzen Körper, um die zusammenhängenden Prozesse zu begreifen. Das bewusste Wahrnehmen und Nachspüren von Körperempfindungen, Reflexen, inneren Bildern, Gedanken und Emotionen stehen dabei im Zentrum von Somatic Experiencing ®
Trauma ist keine Krankheit oder Störung, sondern Teil unseres Lebens. Die körperliche und seelische Reaktion auf eine traumatische Erfahrung ist eine normale Reaktion auf überfordernde Erfahrung(en). Durch Traumata entwickelt der Körper oft unerklärliche Symptome, die das Leben einschränken. Aufklärung ist daher ein wichtiger Bestandteil von Somatic Experiencing ® Sitzungen, um zu verstehen, wie bestimmte Symptome mit erlebten Traumatisierungen zusammenhängen.
Es ist nicht notwendig, deine traumatischen Ereignisse aufs Neue zu erzählen. Durch den Einsatz des autonomen Nervensystems nach Dr. Stephen Porges‘ Polyvagaltheorie sowie traumatherapeutischer Methoden wie Ressourcenaufbau, Pendelbewegungen und schrittweiser Annäherung ermöglichen wir eine Neuverhandlung des traumatischen Ereignisses.
Wie verläuft eine SOMATIC EXPERIENCING Sitzung?
Zu Beginn einer Somatic Experiencing® Sitzung besprechen wir gemeinsam deine aktuelle Situation und dein Anliegen. Im Prozess unterstütze ich dich dabei, dich bewusst mit deinem Körpergefühl auseinanderzusetzen und dieses wahrzunehmen.
Im weiteren Verlauf der Therapie erfolgt dann die eigentliche Neu-Verhandlung des Traumas: Gemeinsam erarbeiten wir Wege zur Regulation deines Nervensystems und setzen Ressourcen wie beispielsweise positive Erfahrungen aus anderen Lebensbereichen ein. Durch diese Vorgehensweisen kann das autonome Nervensystem wieder in Balance kommen – was dazu führt, dass du dich sicherer im eigenen Körper fühlst.
Durch gezielte Fragen sowie durch das Beobachten deiner körperlichen Reaktionen können traumatische Erlebnisse aufgespürt werden. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig zu erwähnen, dass Somatic Experiencing® nicht nur bei akuten Traumaerfahrungen eingesetzt wird – auch lang zurückliegende Ereignisse oder chronische Belastungen können behandelt werden. Ziel von Somatic Experiencing ® ist es, die Verbindung zu sich selbst und zum eigenen Körper wieder aufzunehmen.
WOMIT ARBEITEN WIR ?
Arbeit mit Ressourcen
Der erste Schritt ist die Stabilisierungsphase und die Arbeit mit unseren Ressourcen. Hier geht es darum, sich die eigenen Ressourcen bewusst zu machen, sie zu nähren und zu vergrößern und im Körper zu spüren.
Arbeit mit dem Körper
In der Arbeit mit unserem Körper lernen wir, ihn wieder genauer wahrzunehmen und diese bewusste Wahrnehmung weiterzuentwickeln. Wir schärfen unsere Sinne und treten in intuitiven Kontakt zum eigenen Körper.
Arbeit mit Grenzen
Ein wichtiger Prozess ist das Wiederherstellen von Grenzen. Die Verletzung von Grenzen ist Ursache von Wunden. Ziel ist es daher, die eigenen Grenzen zu fühlen, anzuerkennen und sie zu verteidigen. Wir lernen, auf unsere Körperimpulse zu hören und ihnen nachzugehen.
Arbeit mit Orientierung
Orientierung bedeutet Sicherheit. Diese Sicherheit geht uns in überwältigenden Erlebnissen verloren. Wir wissen dann wortwörtlich nicht mehr, wo oben und unten ist. Orientierung bedeutet, dass ich mich entscheiden kann. Diese Wahlmöglichkeit zu haben ist ein wichtiger Schritt der Selbstermächtigung und wesentlich für die Arbeit mit Traumata.
Entladung
Ziel ist es, die festgehaltene Schockenergie, die im Überlebensmodus entsteht, wieder zu entladen. Dies passiert überwiegend auf der körperlichen Ebene
Integration des Erlebten
Hier geht es darum, das Erlebte in den Fluss des Lebens zu integrieren, sodass in der Vergangenheit erlebte Traumata nicht mehr die Gegenwart bestimmen. Das Erlebte wird nicht mehr als überwältigend erfahren, sondern als haltbar, im Sinne von »man kann es gut halten«.
Arbeit mit Trauer
Hinter traumatischen Erlebnissen liegen oft Wut und Trauer. Die Erfahrung zu machen, dass man nicht alleine ist, sondern jemand da ist, der einen begleitet, ist heilsam.